Sparkassenkolleg: Fragen der Schüler an Referent Dr. Thomas Schmid

eingestellt von Carolin Berger am 10. Dezember 2019

Bei dem diesjährigen Sparkassenkolleg ging es um die Themen Klimawandel und Klimaschutz. Bei den interessierten Schülern kamen hierbei viele Gedanken und Fragen auf. Die Fragen, die uns per WhatsApp erreichten, beantwortet Herr Dr. Thomas Schmid im Folgenden gerne ausführlich.

Vorstandsmitglied Mario Rohrer (li) und Referent Dr. Thomas Schmid (re).

Frage: Es sollen Flüge versteuert werden, Inlandflüge 5€, alle anderen bis 18€. Ist das wirklich genug, um das Fliegen unattraktiv zu machen?

Fliegen wird als eine der schnellsten und komfortabelsten Möglichkeiten für Fernreisen auch in Zukunft nicht wegzudenken sein und auch nur schwerlich komplett unattraktiv werden. 5€ für einen Inlandsflug reicht dabei nicht aus, um damit das Flugzeug im Vergleich zur Bahn, dem Überlandbus oder dem Auto wirklich unattraktiver zu machen und eine sogenannte Steuerungswirkung im Verhalten zu entfalten. Für Fernreisen reichen 18€ erst recht nicht. Darum müssen die nachhaltigen Alternativen im gleichen Zug auch attraktiver werden und das Fliegen einen realistischen Preis für die gesamten Umweltfolgen bekommen.

Eine aktuelle Studie des Umwelt-Bundesamts bestätigt, dass die Klimawirkung von Flügen 3-5 mal höher ist, als die reine CO₂-Emission. Das hängt mit den sog. „Non-CO₂-Effekten“ zusammen, wie etwa den Kondensstreifen, künstliche Zirruswolken und Ozonbildung in großen Flughöhen. Die Steuern in Höhe von 5-18€ bilden daher nicht im Ansatz die realen Kosten der Klimawirkung des Fliegens ab. Der heute noch oft kostengünstigere Flug mit Zwischenstopp muss durch seine klimaschädigender Wirkung teurer werden als der Direktflug und Fliegen teurer werden als die Bahnreise.

Auch die persönliche Kosten-Nutzenrechnungen mit Alternativen muss realistischer werden. Diese basieren oft auf Fehlkonzepten. So wird beim Auto oft die Reisezeit erst vom Anlassen des Motors bis zum Erreichen des Ortsschilds ohne Parkplatzsuche gerechnet und beim Fliegen oft nur die reine Flugzeit ohne CheckIn, Kofferausgabe oder Transit zu und vom Flughafen. Die Menschen müssen aber verstehen, dass grade bei Inlandsflügen die Zeitersparnis bei einer reinen Von-Haustür-Zu-Haustür-Rechnung im Vergleich zur Bahn oft nur kaum gegeben ist. Allein hierdurch könnte man das nachhaltige Handeln der Menschen durch Aufklärung verbessern. Außerdem muss nicht jede Geschäftsreise und jedes Meeting mit physischer Präsenz stattfinden. Videokonferenzen können hier viele Businessreisen komplett ersetzen, dazu muss jedoch ein wirklicher Kulturwandel entstehen. Rechnet man aus, was die Anschaffung einer guten Videokonferenzanlage im Vergleich zum regelmäßigem Fliegen monetär für ein Unternehmen bedeuten, so sieht man, dass Fliegen ein sehr unwirtschaftliches Verhalten ist.

 

Frage: Wie kann man das Fliegen umweltfreundlicher machen?

Das umweltfreundlichste Fliegen ist, nach momentanen technischem Stand, das nicht-Fliegen. An Technologien für klimafreundlichere Flüge wird aber eifrig geforscht. Während man schon beim Auto noch nicht einmal weiß, in welche Richtung die Reise langfristig geht – ob Batterieelektrisch, Brennstoffzelle, PowerToErdgas – ist das beim Fliegen noch viel schwieriger abzuschätzen. Aktuell wird an CO₂-neutralen Kraftstoffen aus Ökostrom geforscht, der über ein Hochdruck-Elektrolyseverfahren Wasserstoff erzeugt, das wiederum in Kerosin gewandelt werden kann. Die Klimawirkungen von Flügen ist aber 3-5mal höher als das reine ausgestoßene und zuvor der Atmosphäre entzogene CO₂. Daher wird dieser Weg nicht zu einem klimaneutralen Fliegen führen und ist höchstens eine Brückentechnologie.

Auch CO₂-Kompensationen, wie kürzlich von einer Billigflug-Airline werbewirksam versprochen, sind kritisch zu sehen. Es gibt noch kein transparentes Zertifizierungsverfahren für Kompensationen, auch wenn das Umweltbundesamt daran arbeitet. Es bleibt auch offen, ob die Kompensationsleistungen der Airline in den jeweiligen Ländern, in denen die Maßnahmen durchgeführt werden, realistisch erfasst werden oder ob die Länder sich diese Maßnahmen zusätzlich auf ihre eigenen Klimabemühungen einfach anrechnen. Das würde nämlich bedeuten, dass die Maßnahmen doppelt gezählt werden: einmal für die Airline und ein anderes Mal für das Land, das seine Pariser Klimaschutzziele damit erfüllen möchte.

 

Frage: Wie soll der globale Handel in Zukunft funktionieren, wenn ein Großteil der Waren heutzutage von Schiffen transportiert wird, die extrem umweltschädlich sind?

Autos fahren heutzutage mit Partikelfilter, wieso wird dieses Thema so ausgebreitet? Man müsste mal den Fokus auf Frachtschiffe bzw. Kreuzfahrtschiffe legen und dort ansetzen, denn solche fahren mit Schweröl im Gegensatz zu Autos, welche mit Diesel fahren. Was ist Ihre Meinung?

Der oft in Verruf geratene Apfel aus Neuseeland ist hierfür ein gutes Beispiel. Alle wissen, dass er durch den Transport einmal um die halbe Erde in der Tat einen höheren CO₂-Fußabdruck besitzt als der heimische Apfel. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Ein einheimischer Apfel kann sogar weniger ökologisch sein,  wenn dieser im Frühsommer gegessen wird und dafür ein halbes Jahr im deutschen Kühlhaus lagerte, das mit Kohlestrom betrieben wurde. Der Grund für dieses Umweltproblem ist in aller erster Linie das verführerische Angebot in der Ladentheke und die nicht-nachhaltigen Konsumentscheidungen der Menschen: weil man rund um das Jahr nicht auf frische Äpfel verzichten möchte und sie auch überall bekommt.

Der Schiffsverkehr ist jedoch im Vergleich zu anderen Transportarten wie dem LKW oder erst recht dem Flugzeug eine halbwegs schonende Variante, weil ein extrem großes Volumen pro Schiff transportiert werden kann. Nichts desto trotz ist es eine politische Entscheidung, dass Containerschiffe mit Rohöl und ohne Partikelfilter betrieben werden. Das ließe sich ändern und die Kosten würden an die Konsumenten weitergegeben werden. Aber selbst wenn es in Zukunft zu Auflagen kommen wird, ist der sogenannte Vollzug – also die Überprüfung der Umsetzung auf hoher See – ein großes Problem. Noch besser wäre, wenn es also ein Umschwenken auf komplett CO₂-neutrale Antriebstechnologien gäbe. Die Elektrifizierung ist hier wahrscheinlich noch schwieriger zu erreichen als im Flugzeug. Andererseits gibt es wieder Bestrebungen zur Nutzung der Windenergie auf hoher See: Containerschiffe können zumindest mit Unterstützung von Zugdrachen betrieben werden. Alle Bemühungen der Einsparungen dürfen aber nicht von einem immer größer werdendem Handelsvolumen konterkariert werden.

 

Frage: Es wurde gesagt, dass von der Politik keine Maßnahmen kommen, die wirklich was bewirken. Welche Maßnahmen würden etwas bewirken?

Jede Tonne CO₂ weltweit muss zunächst einmal konsequent den realistischen Preis der Klimawirkung beinhalten. Der „Deponieraum Atmosphäre“ braucht ein Preisschild. Nur so können die Kosten und deren Zinseszins in Form von notwendigen Klimaanpassungsmaßnahmen nicht mehr auf zukünftige Generationen abgewälzt werden und der Konsument wird mit den echten anfallenden Kosten konfrontiert. Außerdem müssen von Regierungsseite aus noch viel mehr Pfade des Ausstiegs eingeleitet werden. Die Ausstiegspfade müssen anhand der Deutschland zur Verfügung stehenden Restmengen an CO₂-Äquivalenten nach dem Pariser Abkommen berechnet werden. Jeden Tag, den wir auf einem „Weiter-Wie-Bisher-Szenario“ fortschreiten, bedeutet, dass wir beim Ausstieg unsere Bemühungen vervielfachen müssen. Das wiederum macht ein Scheitern wahrscheinlicher.

 

Frage: Kann ein Massentierhalungsverbot durchgesetzt werden und könnte es zu einem nachhaltigen Leben beitragen, wenn die Leute die nicht auf Fleisch verzichten wollen selbst Tierzucht betreiben?

Studien zeigen, dass der Fleischkonsum sich auf den individuellen CO₂-Fußabdruck in etwa so stark auswirkt wie das Heizen der eigenen Wohnung. Der Fleischkonsum trägt aber nicht nur zum Klimawandel bei, auch die gesamte Ökologie und Landnutzungsänderung ist davon massiv betroffen, weil man für die Futterproduktion viel Wald abholzt, Wasser benötigt, Antibiotika verwendet und am Ende Gülle und Mist beseitigen muss. Uns in Europa muss klar sein, dass wir mit nicht-tierischen Alternativen eine ausgewogene Ernährung haben können, bei der wir komplett auf Fleisch verzichten. Anders sieht das in Ländern aus, deren Böden nicht für Ackerlandwirtschaft taugen und in denen nur Weidewirtschaft möglich ist. Daher ist hier keine pauschale weltweit-gültige Aussage zu treffen. Persönliche Tierhaltung in Europa ist jedoch keine Lösung, da die Problematik nur in die Fläche verlagert werden würde. Die Gülle des Schweins im Hinterhof fällt ja genauso an wie in der Massentierhaltung. Dort kann aber das zentrale Sammeln und Verwerten von Gülle und Mist in z.B. Biogasanlagen dem Abfall sogar noch einen Nutzen abgewinnen.

 

Frage: Es wurde eben gesagt, dass die Politik der Gesellschaft folgt. Jedoch werden die Fridays-for-Future Demonstranten von vielen Politikern nicht ernst genommen. Was halten Sie davon oder was müssen die Jugendlichen noch tun, um ernst genommen zu werden?

Politiker sind in der repräsentativen Demokratie Vertreter des Volkes, denn alle Macht geht vom Volke aus. Die Schwäche der Fridays-for-Future-Bewegung ist, dass ihre Mitglieder zum großen Teil noch nicht wahlberechtigt sind und damit nur indirekt Druck auf die Wiederwahl von Kandidaten und damit auch Mehrheitsverhältnisse in der Politik ausüben können. Zumindest fühlen sich meiner Meinung nach aktuell amtierende Politiker noch nicht ausreichend motiviert, konsequent die Forderungen der FFF für ihre Wiederwahl umzusetzen, weil es genügend andere Wählerschichten gibt, die sie mit ihrer Politik ansprechen können. Dafür hat die Bewegung den Vorteil, moralisch rein und integer zu sein. Es können keine Wirtschaftsinteressen oder ausgeprägte Ideologien unterstellt werden, so wie es Klimawandelleugner und Verschwörungstheoretiker seit Jahrzehnten bei der Wissenschaft machen. FFF stellt einfach die Gerechtigkeitsfrage und das ist ihr Trumpf. Ich bin davon überzeugt, dass nun die Fridays-For-Future-Bewegung den notwenigen Schwung in die Politik treiben wird, damit sich das langfristig ändern wird.

 

Frage: Ist das Szenario aus „The Day After Tomorrow“ realistisch?

Wir nähern uns faktisch ungebremst einer Vielzahl von Kippunkten im Klimasystem. Grade am vergangenen Mittwoch erreicht uns eine nächste Hiobsbotschaft: wir erreichen diese Kipppunkte wahrscheinlich schneller als ohnehin befürchtet. Jeder davon hat das Potential, weitreichende Veränderungen auf die Umwelt auszuüben, die katastrophale Auswirkungen auf die Biodiversität und damit auf uns Menschen haben wird. Dies geschieht in einer – geologisch-gesehen – explosionsartigen Geschwindigkeit. Nicht jedoch so apokalyptisch wie in dem Film dargestellt. Da nutzt Hollywood ein stilistisches Mittel, um alles an einem Tag stattfinden zu lassen. Aber schaut man sich die Auswirkung einer veränderten Niederschlagsstruktur zum Beispiel im Himalayagebirge an, so hat das weltweite Bedeutung. Das Abschwächen oder gar das Ausbleiben des Ostasiatischen Monsuns hat das Potential, die Wasserversorgung und damit die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen für insgesamt 1,3 Milliarden Menschen zu bedrohen. Und das ist nur ein Beispiel für die Konsequenzen der Kippunkte.

 

Frage: Weshalb wurden zigtausend Stellen im Bereich der erneuerbaren Energie (Solarenergie) gestrichen und die Kohlekraftwerke subventioniert, wodurch sie künstlich am Leben gehalten werden?

Diese Frage können eigentlich nur die Politikerinnen und Politiker selber beantworten, die dafür verantwortlich sind. Ich denke, dass ist so zu erklären, dass die Interessenvertretungen (Lobbyverbände) und Wählerschaften im Bereich der Kohleverstromung ungleich stärker sind, als in der Wind- und Solarenergie. Im Fall der Solarenergie ist jedoch auch der Wegfall der Arbeitsplätze durch eine Verlagerung der Produktion ins Ausland zu erklären. Das sind Prozesse der Globalisierung.

 

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