Wanderausstellung: Flucht aus weiblicher Perspektive

Wanderausstellung: Flucht aus weiblicher Perspektive

 

BAD CAMBERG/LIMBURG.

Die Wanderausstellung „Bewegte Frauen“ im Kurhaus in Bad Camberg und in der Kreissparkasse in Limburg

Im Foyer des Kurhauses in Bad Camberg schauen 13 eindrückliche Porträts von den Wänden auf eine Menschenmenge herunter, die offensichtlich zum Feiern zusammengekommen ist. Auf weiß eingedeckten Bistrotischen liegen Bücher aus, die diese Porträts wiederholen. Häppchen stehen bereit, Sekt wird gereicht. Frauen, vielfach oft wohl aus südlichen Gefilden, sind in der Überzahl. Auf der Treppe spielt ein Kind, liebevoll betreut von seinem Vater. Doch am meisten fällt dem Neuankömmling auf, dass sich diese Frauen umarmen, nicht wie in einer flüchtigen Begrüßungsgeste, sondern in gegenseitiger Anerkennung. Man teilt die Freude am Augenblick in großer Herzlichkeit.

Gelungene Integration

Gekommen sind sie zu einer Wanderausstellung, die der Main-Kinzig-Kreis in seinem Büro für Interkulturelle Angelegenheiten ins Leben gerufen hat. Passend zum Weltfrauentag dankt Kurdirektor Michael Sinn für die Präsentation in Bad Camberg und begrüßt die Gäste. Der Leiter des Sozialamts Limburg-Weilburg, Michael Sauerwein, fügt als Integrationsbeauftragten hinzu, dass es hier um gelungene Integration aus weiblicher Sicht gehe. Ziel sei die Gleichberechtigung. Hier hakt Annette von Sartori ein. Frauen haben den größeren Anteil an der Migrationsgeschichte, sie werden aber weit weniger betrachtet. Das hat mehrere Ursachen. Sie haben weniger oder keine Teilhabe an den Rechten, sie haben eine geringere Schulbildung und entsprechend weniger Chancen, einen Beruf zu erlernen. Oft sind es Frauen, die sich mit ihren Kindern von der  Heimat lösen und den schweren Weg der Migration gehen, um ihren Kindern bessere Chancen für ihr Leben einzuräumen.

Die Flucht von deutschen Frauen

26 dieser mutigen Frauen, die in Hessen eine neue Heimat gefunden haben, werden auf den Tafeln an der Wand mit ihrem Foto und vor allem mit ihrer individuellen Geschichte vorgestellt. Man hat diese Ausstellung auf Limburg (Kreissparkasse) und Bad Camberg (Kurhaus) verteilt mit je 13 Beispielen. Unter ihnen gibt es auch deutsche Frauen, denn die Fluchtgeschichten sind seit 1945 aufgenommen. Annette von Sartori lässt zwei Frauen aus ihrem Leben erzählen. Enise Ekinci aus der Türkei beginnt. Sie entschuldigt sich, dass sie von ihrem Manuskript abliest, weil sie alles richtig beschreiben wollte und sonst könnte es doch Chaos geben. Lachend wird applaudiert. Nach nur fünf Jahren in Deutschland trägt sie alles in geschliffener Sprache vor. Sprache ist ihr wichtig. Sie war als Dolmetscherin tätig, hat als Kursleiterin kurdische Spracherziehung gelehrt, ein Buch veröffentlicht. Dann die Katastrophe: Enise Ekinci kommt für elf Jahre und drei Monate ins Gefängnis aus „politischen Gründen“. Aber diese starke Frau lässt sich nicht unterkriegen. Leben ist unter allen Bedingungen lebenswert.
Der wache Geist lässt die Mauern nicht zu. Sie lernt. Die Art, wie sie diese Zeit beschreibt, treibt den Zuhörern die Tränen in die Augen. Nach der Haft ist sie, die Gefahr drohte ja weiter, droht weiter bis heute, ist sie nach Deutschland geflohen. Sie ist dankbar, dass sie hier „angekommen“ ist, sie ist dankbar den Menschen, die ihr auf ihrem Weg geholfen haben. Und sie schließt mit einem Satz, der allen Mut macht: Es gibt nichts, was Frauen nicht können. Sie hat vielen aus dem Herzen gesprochen. Meliha Delalic, sie steht für die WIR Organisation, sie hilft als Integrationslotsin, sie plant und führt zusammen, was immer hilfreich sein könnte für die, die suchend hier ankommen, Meliha Delalic hat ihre eigene Migrationsgeschichte. Als 1992 der Krieg im ehemaligen Jugoslawien tobte, machte sich ihre Mutter auf den schweren Weg zusammen mit Meliha und dem kleinen zweijährigen Bruder. Der ältere Bruder bleibt mit einer Pistole als einziger Waffe in der Hand zurück. Von den anderen zurückgelassenen Familienmitgliedern hören sie zwei Jahre lang nichts. Der Anfang in der Fremde ist für das Mädchen schwer. Sechs Jahre hatte sie beste Schulleistungen. Hier wollte sie keine Schule aufnehmen. Dann, für das achte Schuljahr endlich der Durchbruch. In ihrer Klassenlehrerin findet sie eine Art Mutter, eine Frau, die sie unerhört fördert. Ihre Stimme zittert, wenn sie an diesen Menschen denkt. Die ersten Schritte sind getan, viele werden folgen, sodass sie nun selbst helfen kann. Auch sie endet mit einem Aufruf, der nachklingt: Machen Sie aus Fremden Freunde. Diese beiden Schicksale, dazu die auf den Tafeln und im Buch gezeigten schaffen es ohne Moralpredigt aus namenlosen Menschen mit Migrationshintergrund Vertraute zu machen, die man achtet und bewundert.

Geschrieben von: Petra Schramm

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