USA-Iran: Eskaliert der Konflikt?
Statement von Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, das Wertpapierhaus der Sparkassen
Überraschende Eskalation des schwelenden Iran-Konflikts durch den US-Präsidenten
Der US-Angriff auf einen der hochrangigsten Generäle Irans, Qassem Soleimani, auf irakischem Boden hat selbst politische Beobachter überrascht – galt sie doch als denkbar schärfste und am wenigsten kontrollierbare Antwort auf die außenpolitischen Provokationen durch den Iran in den letzten Wochen.
Angesichts der Bedeutung und Beliebtheit Soleimanis im Iran stellt dieser Schritt eine deutliche Eskalation des seit langem angespannten Verhältnisses zwischen den USA und dem Iran dar. Für die Kapitalmärkte ist insbesondere die Möglichkeit einer weiteren Eskalation bis hin zu einem neuen Krieg der USA im Nahen Osten von Bedeutung. Ein solcher Krieg wäre weniger wegen der Relevanz des Nahen Ostens für den Welthandel (beispielsweise liegt der Anteil des gesamten Nahen Ostens an den deutschen Exporten bei nur 3,6 Prozent) als vielmehr wegen der Bedeutung der Region für die weltweite Rohölversorgung ein gravierender Unsicherheitsfaktor für die Weltwirtschaft. Im weiteren Verlauf des Konflikts war auf beiden Seiten das Bemühen zu erkennen, keine unmittelbare Eskalation auszulösen.
Wir gehen von einer solchen Eskalation in diesem Fall auch nicht aus, bewerten die Vorkommnisse aber als symptomatisch für die internationale geopolitische Lage, insbesondere im Nahen Osten.
Weitere Eskalation möglich, aber unwahrscheinlich
Für die Frage nach der weiteren Eskalation war besonders die Reaktion des Iran – und des Irak – auf den Anschlag bedeutsam, bei dem auch ein hochrangiger irakischer Staatsbediensteter ums Leben kam. Von Cyberattacken über terroristische Angriffe gegen US-Institutionen und Bürger außerhalb der USA oder sogar in den USA selbst bis hin zu weiteren Angriffen auf Ölinfrastruktur oder Versorgungswege reichten die Möglichkeiten. Der nun erfolgte Angriff auf irakische US-Militärbasen ohne Todesopfer wird als moderate Antwort und damit als Angebot zur Deeskalation gewertet, was so auch durch den US-Präsidenten bestätigt wurde. Irritierend am Handlungsmuster des US-Präsidenten war vielmehr, dass es überhaupt zu diesem Schlag gekommen ist.
Die überraschende Zuspitzung im Nahen Osten hat ganz klar eines gezeigt: Die Welt ist mit dem Rückzug der USA aus den Verpflichtungen der von den USA nach dem zweiten Weltkrieg aufgebauten „Pax Americana“ – die Ordnung der Welt unter US-amerikanischer Verantwortung – unsicherer und unwägbarer geworden. Diese Entwicklung hat bereits im vergangenen Jahr über den Welthandelsstreit zwischen den USA und China vermehrt Volatilität an die Märkte gebracht. Diese Tendenz setzt sich im noch jungen neuen Jahr fort.
Bislang ist es dabei zu keinen schlimmen Zuspitzungen gekommen, sodass die politischen Einflüsse auf die Märkte tatsächlich jeweils die berühmten „kurzen Beine“ hatten.
Marktreaktionen
Der Ölpreis für die Sorte Brent kletterte im Zuge der jüngsten Geschehnisse zwischenzeitlich auf über 70 US-Dollar je Fass und damit auf ein Niveau, das seit Mai 2019 nicht mehr erreicht worden ist. Er hatte sich allerdings auch schon vor dem Jahreswechsel nahe an die 70 US-Dollar-Marke herangerobbt. Eine wahrnehmbare Deeskalation des Konflikts, etwa durch einen Schulterschluss der Amerikaner mit anderen Weltmächten sowie durch die Etablierung eines diplomatischen Kanals nach Teheran, wäre auch ein nachhaltigeres Entspannungssignal für den geopolitisch anfälligen Preis für Rohöl.
Dem Goldpreis verhalf die gegenwärtige Konfrontation ebenfalls zu einem Schub in einer bereits länger andauernden Aufwärtsbewegung. Zwischenzeitlich erreichte er einen Preis von über 1600 US-Dollar je Feinunze. In Euro gerechnet wurde sogar ein neues Allzeithoch erreicht.
Wir gehen angesichts von anhaltend niedrigen Opportunitätskosten zur Goldhaltung und weiterhin erhöhten Risiken im Finanzsystem grundsätzlich von einem leicht steigenden Goldpreis aus. Der starke Preisanstieg im Zuge der iranischen Konfrontation dürfte sich jedoch recht schnell wieder zurückbilden. Aktien- und Anleihemärkte reagierten ebenfalls mit einem milden Risk-Off-Modus (Flucht in die Sicherheit, weg von Aktien hin zu Bundes- und US-Anleihen), blieben dabei jedoch in den etablierten Handelsspannen der vergangenen Wochen.
Die zentrale Bedeutung der US-amerikanischen Aktion gegen den Iran liegt unserer Einschätzung zufolge eher in der längerfristigen politischen Entwicklung im Nahen Osten als in den kurzfristigen Kriegsgefahren. Daher erwarten wir eine schnelle Rückkehr der Märkte zum Tagesgeschäft und eine Wiederaufnahme der Trends von vor dem Jahresende 2019. Diese basieren auf der Hoffnung auf eine Erholung der Weltkonjunktur nach dem Schwächeanfall des letzten Jahres und einer Fortsetzung der Niedrig- beziehungsweise Negativzinspolitik durch die großen Zentralbanken.
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