LERNE DEIN HAUS KENNEN
Wer sein Haus kennen will, muss wissen, wie sein Energieverbrauch im Vergleich zu anderen Häusern einzuschätzen ist. In der letzten Kolumne haben wir gelernt, dass der Energieausweis für Gebäude dafür zwar gedacht war, diese Anforderung aber nicht erfüllt. Wir brauchen also zwingend eine Alternative bei der energetischen Bewertung unserer Häuser und Wohnungen.
Wie das geht, den Energieverbrauch eines Hauses oder einer Wohnung mit einfachen Mitteln selbst einzuschätzen, das werde ich euch in dieser Kolumne zeigen.
Wenn wir die energetische Qualität unserer Häuser einschätzen wollen, brauchen wir eine Methode, mit der wir ähnlich wie beim Energieausweis einen Energieverbrauchs-Kennwert als Ergebnis bekommen. Die Methode sollte möglichst einfach handhabbar sein und mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln eingesetzt werden können. Gleichzeitig sollte sie für alle, die sie anwenden möchten, leicht verständlich sein.
Diese Methode gibt es. Ich setze sie in der Energieberatung seit vielen Jahren erfolgreich ein. Sie ist denkbar einfach und liefert ausreichend genaue Ergebnisse, um eine Vergleichbarkeit der energetischen Qualität zwischen verschiedenen Häusern herzustellen. Sie versetzt mich in die Lage zu erkennen, ob ein Gebäude einen hohen, einen eher niedrigen oder einen erwartungsgemäßen Wärmeenergieverbrauch hat.
Diese von mir bereits hundert-, wenn nicht tausendfach erfolgreich erprobte Methode werde ich nun versuchen, euch näher zu bringen. Dafür braucht es nur zwei kleine Schritte: Im ersten Schritt errechnen wir die sogenannte Energiekennzahl, die den spezifischen Energieverbrauch abbildet. Im zweiten Schritt wird die ermittelte Energiekennzahl dann mithilfe der sogenannten Energiesparampel bewertet.
Zuerst müssen wir also den spezifischen Energieverbrauch feststellen. Dafür brauchen wir zwei Zahlen:
den mittleren Heizenergieverbrauch für ein ganzes Jahr in Kilowattstunden (kWh) und die bewohnte und beheizte Wohnfläche in Quadratmetern (m2). Wenn wir diese beiden Zahlen haben, müssen wir den Wärmeenergieverbrauch nur noch durch die Anzahl der Quadratmeter der beheizten Wohnfläche teilen.
Jetzt ist es natürlich so: Häuser werden sehr unterschiedlich beheizt. Manche werden mit Erdgas beheizt, andere mit Heizöl oder Strom, einige auch mit Holz, oder es wird mit Holz zugeheizt. Die Bewertung für alle Energieträger auf einmal zu erklären, würde an dieser Stelle zu weit führen. Daher beginne ich exemplarisch mit dem Erdgas, da die meisten Wohnhäuser heute noch immer mit Erdgas beheizt werden. Wie das mit den anderen Energieträgern funktioniert, darauf gehe ich weiter hinten nochmal ein.
Für unsere Beispielrechnung nehmen wir ein typisches Einfamilienhaus aus den 1950er Jahren mit 125 Quadratmetern (m²) beheizter Wohnfläche.
Der Gasverbrauch unseres Hauses für Heizung und Warmwasser beträgt rund 25.000 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr (a). Der Gasverbrauch lässt sich der jährlichen Gasabrechnung entnehmen.
Wenn wir nun den Gasverbrauch durch die Wohnfläche teilen, erhalten wir den spezifischen Gasverbrauch, auch Energiekennzahl genannt. In unserem Beispiel sind das 25.000 kWh/a geteilt durch 125 m² macht 200 kWh/m²a.
Berechnung der Energiekennzahl (EKZ) für Heizung und Warmwasser.
So, den spezifischen Energieverbrauch (Energiekennzahl) hätten wir schon mal. Die Energiekennzahl beträgt 200 kWh/(m²a). Der erste Schritt ist damit abgeschlossen. Etwas kniffliger wird es nun im zweiten Schritt. Nämlich die Frage, wie diese 200 kWh/(m²a) nun einzuschätzen sind. Ist das nun eine kleine oder eher eine hohe Energiekennzahl? Und wie passt der Wert zu meinem Haus? Hätte man die Zahl für mein Haus so erwartet oder weicht sie von einem typischen, für mein Haus erwartungsgemäßen Verbrauch ab?
Um die ermittelte Energiekennzahl zu bewerten, nutze ich am liebsten die Energiesparampel. Im Vergleich zur Bewertungsskala in den Energieausweisen ist die Ampel viel leichter und intuitiv zu verstehen. Im Energieausweis werden zur Bewertung sogenannte Energieeffizienzklassen (A+ bis H) verwendet. Die Energiesparampel teilt die energetische Qualität von Häusern dagegen in nur drei Bereiche auf: rot, gelb und grün. Die rote Ampel steht dabei für Verbräuche um rund 200 kWh/m²a und damit für einen hohen Verbrauch. Die gelbe Ampel steht mit rund 100 kWh/m²a für einen eher niedrigen Verbrauch. Und die grüne Ampel steht für einen Verbrauch, den man potenziell und maximal erreichen kann, wenn man wirklich alles unternimmt, was möglich ist. Quasi sehr guter Neubaustandard.
Die hier gezeigte Ampel gilt übrigens für Einfamilienhäuser und kleine Mehrfamilienhäuser. Zur Bewertung für große Mehrfamilienhäuser mit mehr als fünf oder sogar zehn Wohneinheiten müsste man die Ampel etwas anpassen, da der spezifische Verbrauch mit der Größe eines Hauses tendenziell immer kleiner wird.
Aber zurück zu unserem Beispielhaus. Mithilfe der Energiesparampel können wir nun erkennen, dass dieses mit seinen 200 kWh/m²a punktgenau im roten Bereich liegt. Somit wissen wir zunächst mal, dass der Energieverbrauch unseres Hauses tatsächlich als hoch einzustufen ist. Die Bewertung ist damit aber noch nicht abgeschlossen. Denn für eine vollständige Bewertung müssen wir unbedingt auch den baulichen Zustand des Hauses berücksichtigen. Was bedeutet das konkret?
Ein spezifischer Verbrauch von 200 kWh/(m²a) ist typisch für Einfamilienhäuser, die vor der 1. Wärmeschutzverordnung gebaut wurden, also für alle Häuser mit Baujahr vor 1978. Das trifft aber nur zu, wenn seit der Errichtung des Gebäudes keine nennenswerten energetischen Modernisierungen, wie eine Dach- oder Außenwanddämmung, durchgeführt, und allenfalls die Fenster und die Heizung erneuert wurden. In diesem Fall wären die 200 kWh/m²a zwar tatsächlich als hoch, zugleich aber auch als erwartungsgemäß zu deuten.
Ganz anders müsste die Bewertung ausfallen, wenn unser Beispielhaus zwischenzeitlich eine moderne Dach- und Außenwanddämmung erhalten hat. In diesem Fall läge eine erwartungsgemäße Energiekennzahl natürlich deutlich unter 200 kWh/m²a, weil davon auszugehen ist, dass durch die durchgeführten Maßnahmen auch eine verbrauchsreduzierende Wirkung erzielt wurde. Die Energiekennzahl sollte dann eher in einem Bereich von ca. 150 kWh/m²a liegen.
Ihr seht: Zu einer Energiekennzahl kommt man relativ schnell. Die Bewertung der Energiekennzahl ist aber alles andere als trivial. Daher habe ich versucht, die Bewertung von häufig vorkommenden Baualtersklassen und Modernisierungsvarianten in einer Übersichtstabelle zusammenzufassen. Mit dieser Tabelle sollte euch die Bewertung der meisten Einfamilien- und kleinen Mehrfamilienhäuser leicht möglich sein.
Energiekennzahlen Einfamilienhäuser
Je nach Baujahr und Modernisierungszustand, kann über diese Tabelle die Energiekennzahl eingeschätzt werden.
Umrechnungsfaktoren Brennstoffe
Zusätzlich gibt es noch eine Tabelle mit den Umrechnungsfaktoren für weitere Brennstoffe. Damit lassen sich die von euch verbrauchten Energiemengen ganz einfach in Kilowattstunden umrechnen. Wenn ihr mehr als nur einen Brennträger nutzt, können die unterschiedlichen Energiemengen nach der Umrechnung problemlos addiert werden. Wenn ihr also zum Beispiel einen Brennstoffmix aus Heizöl und Holz nutzt, müsst ihr zur Ermittlung der Energiekennzahl zunächst die jährlich verbrauchte Menge jeweils in Kilowattstunden umrechnen und anschließend zu einer Gesamtmenge aufsummieren. Die Gesamtmenge wird dann – wie oben bei Schritt 1 gezeigt – durch die beheizte Wohnfläche geteilt. Voilà: Ihr erhaltet die Energiekennzahl für euer Haus oder eure Wohnung. Das ist transparent und funktioniert ohne fiktive Flächen oder undurchsichtige Umrechnungsfaktoren und ist damit denkbar einfach.
Gerade wegen ihrer Einfachheit wird die hier vorgestellte Methode gelegentlich auch angezweifelt. So wird nicht selten die Frage gestellt, ob man nicht zusätzlich auch noch das Klima berücksichtigen müsste. Denn das Klima weicht ja von Jahr zu Jahr immer etwas ab und führt dadurch auch mal zu einem höheren und mal zu einem geringeren Verbrauch – je nachdem eben, ob es ein eher warmes oder eher kaltes Jahr war.
Dazu muss ich sagen: Das ist zunächst einmal völlig richtig. Um die durch das Klima bedingten Unschärfen zu verhindern, könnte man tatsächlich noch eine sogenannte Klimabereinigung durchführen. Gleiches gilt für das individuelle Heizverhalten. Natürlich gibt es Menschen, die haben es gern etwas wärmer, andere wiederum kommen mit einer niedrigeren Raumtemperatur aus. Aber selbst, wenn wir diese Unschärfen eliminieren, indem wir die Klimaeffekte das Nutzerverhalten und vielleicht noch weitere Einflussfaktoren berücksichtigen, wird unser Ergebnis bei erheblichem Mehraufwand doch nur unwesentlich genauer. Die Abweichungen sind so überschaubar, dass sich eine aufwändige Berücksichtigung nicht lohnt. Anders ausgedrückt: Ob mein Ergebnis am Ende 215 oder 185 anstatt 200 kWh/m²a beträgt, hat auf die Gesamtbewertung der energetischen Qualität des betrachteten Gebäudes mithilfe der Energiesparampel letztlich keinerlei Auswirkung. Denn: Die Unschärfen mit der hier vorgestellten Methode liegen vielleicht bei 10 oder maximal 20 Prozent aber nicht, wie beim Energieausweis, bei annähernd 100 Prozent.
Die in diesem Kapitel vorgestellte Methode ist daher ausreichend genau, um eine brauchbare erste Bewertung vornehmen zu können. Von zentraler Bedeutung ist es dabei, dass sie von einer möglichst großen Zahl von Menschen leicht und intuitiv anwendbar ist. Ziel sollte es doch sein, dass wir in Zukunft ganz selbstverständlich die Energiekennzahl unserer Häuser und Wohnung feststellen und einordnen können, so wie wir es beim Spritverbrauch von Autos schon heute tun.
Fakt ist: Oldtimer gibt es nicht nur bei den Autos. Während sie auf den Straßen eher eine Seltenheit sind, sind sie bei unseren Häusern immer noch die Regel. Wie die nachfolgende Grafik zeigt, liegt die Energiekennzahl bei drei Vierteln des bundesdeutschen Gebäudebestandes noch bei über 100 kWh/m²a. Bei einem Großteil dieser Gebäude ist der Weg hin zu einem geringen Energieverbrauch noch weit.
Spezifische Heizenergieverbräuche Wohngebäude (D)
Häufigkeit spezifischer Verbräuche von Häusern in Deutschland. Die meisten Häuser liegen über 100 kWh/(m2a).
Sollte es uns allerdings gelingen, den Energieverbrauch unserer Häuser in Zukunft besser einschätzen und mit anderen Häusern vergleichen zu können, dann wären wir auch in der Lage, einen potenziellen Handlungsbedarf zu erkennen und ggf. erforderliche Maßnahmen einzuleiten. Und um genau diese Maßnahmen, die kleinen wie die großen, wird es in den kommenden Kolumnen gehen.
Euer Carsten
PS.: Wer mehr übers Energiesparen erfahren möchte, empfehle ich mein Buch, „Alles, was Sie über Energiesparen wissen müssen“, erschienen beim HERDER Verlag.
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Kommentare
P. Bernhard Pieler schreibt am 18.07.2023 um 10:25 Uhr:
Antwort von Anita Sahi am 24.07.2023 um 10:16 Uhr:
Vielen Dank für Ihren Kommentar. Es freut uns, dass Ihnen der Artikel gefällt.
Liebe Grüße
Ihr Social Media Team
Aus der Antike stammt der Satz; "Erkenne dich selbst"! und er lässt sich sinnge-
mäß erweitern; "Lerne dich selbst zu erkennen"! Heute heißt es: "Lerne dein Haus kennen"! Beies scheint wohl notwendig, um .- einmal einfach gesprochen- gut "über die Runden zu kommen". Somit Dank für diesen Beitrag