Börsenrekorde trotz Handelsdrohungen

Kolumne Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank
Frankfurt, 11. Juli 2025
Hat Donald Trump seinen Schrecken für die Märkte verloren? Kann die Wirtschaft darauf vertrauen, „dass es schon nicht so schlimm kommen wird“, wie es immer wieder angekündigt wurde? Das sind die Fragen, die sich die Finanzmärkte insbesondere in der angelaufenen Handelswoche stellten. Schon länger wunderten sich viele Analysten, dass die bisherige Zolldebatte die Geschäfte von weltweit agierenden Unternehmen im Durchschnitt nur wenig getroffen hatte. In dieser Woche heizte Donald Trump die Zolldiskussion wieder an mit den blauen Zollbriefen, die er an viele Länder verschickte. Es gab allerdings nichts Neues: die bereits in Aussicht gestellten „reziproken“ Zollsätze wurden bestätigt, sofern nicht bis zum 1. August Einigungen erzielt werden würden. Was eine Einigung nach Donald Trumps Geschmack ist, konnte man im Fall Vietnams sehen: Das Land „schluckte“ die zehn-prozentigen Zölle der USA, ohne Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Kleinen Ländern bleibt in der Tat nicht viel anderes übrig. Bei einer Eskalation können kleine Volkswirtschaften eigentlich nur verlieren. Große Wirtschaftsmächte wie China oder die Europäische Union sind da nicht so leicht einzuschüchtern. Daher stehen die Fortschritte in den Handelsgesprächen mit den Eurostaaten im Zentrum der Aufmerksamkeit an den Kapitalmärkten. Insgesamt glauben die Kapitalmarktteilnehmer allerdings an ein konstruktives Ergebnis: Trotz der Ankündigungen gab es sowohl an den US-amerikanischen als auch an den deutschen Börsen neue historische Höchststände, nach dem Motto: Stell‘ Dir vor, es ist Handelskrieg und keiner geht hin.
In der kommenden Woche stehen die US-Inflationszahlen im Mittelpunkt des Kapitalmarktinteresses. Kommen sie nun, die Überwälzungen der bislang erhobenen Zölle oder kommen sie immer noch nicht? Sollten die bisherigen Zollerhebungen auf der Ebene von Export- und Importunternehmen versanden, dann würde die US-Zentralbank mehr und mehr zu Zinssenkungen genötigt werden. Einen weiteren Hinweis auf den Zustand der US-Wirtschaft wird auch die in der kommenden Woche beginnende Saison der Geschäftsberichtserstattung über das zweite Quartal liefern. Die Experten erwarten nur noch leicht steigende Gewinne – genügend Raum für positive Überraschungen.
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