Arm im Alter

eingestellt von Carolin Berger am 9. Dezember 2019

Vor allem alleinstehende Rentnerinnen sind von Armut betroffen

 

Immer mehr Deutsche über 65 Jahren gelten als arm oder armutsgefährdet. Frauen sind besonders betroffen, weil ihre Erwerbsbiografien häufiger unterbrochen sind als die von Männern. Die wichtigsten Fakten zu Altersarmut in Deutschland.

Kein Geld fürs Restaurant, für Zoobesuche mit den Enkeln oder eine neue Brille. Manchmal reicht das Geld am Monatsende nicht einmal für den Einkauf im Discounter. In Deutschland gelten knapp 18 Prozent der Rentner als arm oder armutsgefährdet (wie das berechnet wird, erklären wir im Infokasten).

Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen: Frauen über 65 sind mit einem Anteil von 20 Prozent stärker armutsgefährdet als gleichaltrige Männer (15 Prozent). Die Ursache: Sie erhalten im Schnitt nur halb so viel Geld aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Woher diese Rentenlücke (Renten Gap) kommt, erklären wir Ihnen hier.

Manche Rentnerin heizt nur noch ein Zimmer

Altersforscherin Irene Götz von der Ludwig-Maximilians-Universität München hat gemeinsam mit anderen Wissenschaftlerinnen ältere Frauen mit knappen Einkünften befragt. In einem Gastbeitrag für „Die Zeit“ schreibt sie: „Unsere Gesprächspartnerinnen konnten ihre Existenz oft nur durch rigorose Sparmaßnahmen sichern: Manche heizten nur noch ein Zimmer in ihrer Wohnung, […] suchten den ganzen Tag nach billigen Lebensmitteln, kochten Kohlrabiblätter aus, die im Supermarkt weggeworfen wurden, oder ließen ihre Zahnschmerzen nicht mehr behandeln.“

Viele der befragten Frauen stammten aus gutbürgerlichen Milieus; ihr sozialer Abstieg habe mit der Scheidung und den gestiegenen Kosten im Single-Haushalt begonnen. Der Grund: Nach der Trennung sei es den Frauen, die sich um Haus und Kinder gekümmert hatten, nicht gelungen, einen Job zu finden, der das Alter absichert.

„Es ist deshalb wichtig, darüber aufzuklären, welche Folgen Teilzeitarbeit und die traditionelle Rollenverteilung haben können“, schlussfolgert Götz.

Bei Paaren: Jede vierte Frau ist finanziell abhängig

Das Thema ist auch bei jüngeren Paaren aktuell. Wie das Statistische Bundesamt in einer Broschüre zum Thema „Ältere Menschen in Deutschland“ schreibt, wandeln sich traditionelle Rollenmuster hierzulande nur langsam: „Auch von den Frauen in Paargemeinschaften jüngerer Generationen lebte 2014 rund ein Viertel überwiegend von den Einkünften Angehöriger. Der Wert unterschied sich damit kaum vom Anteil der älteren Frauen in Paargemeinschaften.“ Bei den Paaren über 65 leben ebenfalls 25 Prozent der Frauen überwiegend von den Einkünften der Angehörigen.

 

Zunehmende Altersarmut bei alleinstehenden Frauen

Fällt diese Unterstützung zum Beispiel durch Scheidung weg, ist das Armutsrisiko groß. Jede fünfte alleinlebende Frau über 65 muss mit weniger als 900 Euro monatlich auskommen.

Für eine Studie der Bertelsmann Stiftung haben das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung und das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in die Zukunft geschaut: Bis zum Jahr 2036 wird der Anteil der jeweils 67-jährigen alleinstehenden Frauen, deren Einkommen nicht fürs Leben reicht, stark steigen. Im Untersuchungsjahr 2016 waren 16,2 Prozent von staatlichen Leistungen abhängig, 2036 werden es der Prognose zufolge bereits 27,8 Prozent sein.

Wie lässt sich Altersarmut verhindern?

Am besten vor Altersarmut schützen können sich Frauen, indem sie ihre Absicherung möglichst früh in die eigenen Hände nehmen. „Frauen sollten nicht darauf hoffen, dass es schon irgendwie reichen wird“, warnt Deka-Volkswirtin Dr. Gabriele Widmann in unserem Interview. „Sie sollten bei der Altersvorsorge einen gesunden Egoismus entwickeln und regelmäßig für sich selbst Geld anlegen, damit sie finanziell unabhängiger werden. Auf die Unterstützung ihrer Kinder möchten sie im Alter ja auch nicht angewiesen sein.“

Korina Dörr, Leiterin des Beratungsdienstes Geld und Haushalt und Expertin für die private Finanzplanung, rät zu regelmäßigem Sparen: „Man sollte den Sparanteil für die Altersvorsorge möglichst früh und dauerhaft in sein Budget einplanen. So schiebt man diese wichtige Absicherung nicht ständig auf und auch anfangs kleine Beträge können sich bis zum Rentenbeginn zu einer stattlichen Summe entwickeln.“

Grundsicherung: Viele Bedürftige scheuen den Antrag

Sie sind schon in Rente und das Geld reicht nicht aus? Die Deutsche Rentenversicherung empfiehlt, bei einem Monatseinkommen von weniger als 838 Euro einen Anspruch auf „Grundsicherung im Alter“ prüfen zu lassen. Mit dieser Leistung unterstützt der Staat diejenigen, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können. Dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zufolge lag der durchschnittliche Bedarf 2015 bei 785 Euro. Die Höhe der bewilligten Unterstützung variiert, weil das Existenzminimum für jeden Antragsteller individuell berechnet wird und dabei zum Beispiel auch der Wohnort eine Rolle spielt.

Ende 2017 erhielten rund 544.000 Rentnerinnen und Rentner mit Kleinstrente die Grundsicherung. Dabei ist die Zahl der Bedürftigen noch viel höher. Gerade ältere Menschen scheuen sich jedoch davor, Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen – aus Scham oder aus Sorge, ihre Kinder könnten zur Kasse gebeten werden.

Doch diese Sorge ist unberechtigt: Die Grundsicherung wird unabhängig vom Einkommen der Kinder gewährt – es sei denn, die Kinder verdienen mehr als 100.000 Euro im Jahr.

Was bedeutet armutsgefährdet?

Als armutsgefährdet werden all die Menschen in einem Land eingestuft, denen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens aller Haushalte zur Verfügung stehen. Diese Definition gilt EU-weit. 2016 lag der Schwellenwert für das Armutsrisiko in Deutschland bei rund 1.064 Euro. Wer als Alleinstehender mit weniger Geld im Monat auskommen muss, ist statistisch gesehen armutsgefährdet. Für zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren lag der Schwellenwert bei 2.234 Euro.

 

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