Brexit

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Teure Trennung an Heiligabend

An Heiligabend haben sich die Kontrahenten doch noch auf einen Handelsvertrag geeinigt: Zur Jahreswende scheidet das Vereinigte Königreich nun geordnet aus dem Wirtschaftsraum der EU aus. Umsichtige Anleger können gelassen bleiben.

Scheiden tut weh. Und eine hässliche Scheidung ist besonders schmerzhaft – für das Herz und für die Brieftasche. Was am Ende des privaten Ehelebens gilt, das trifft auch für das Auseinanderleben von Staaten zu. Boris Johnson, Emmanuel Macron oder Angela Merkel ist das in den letzten Tagen des Jahres 2020 besonders bewusst geworden.

Bis auf Euro und Cent sogar. Denn trotz der Einigung auf neue Handelsregeln zwischen der EU und dem United Kingdom an Heiligabend wird die Scheidung teuer. Es hätte allerdings noch schlimmer kommen können: Bei einem harten Brexit hätte Großbritannien Einbußen von 57 Milliarden Euro verkraften müssen und die 27 EU-Mitgliedsstaaten zusammen 40 Milliarden – davon allein Deutschland 10 Milliarden; und zwar jedes Jahr aufs Neue. Das hatte eine Studie der Bertelsmann-Stiftung anhand von Simulationsrechnungen und Auswertungen europäischer Handelsströme nach dem Brexit prognostiziert.

Aber auch mit dem Deal kommen erhebliche Wettbewerbsnachteile im globalen Maßstab auf die Ex-Partner zu. Sie werden allen Volkswirtschaften Europas auf sehr lange Sicht Schwierigkeiten bereiten. „Der Brexit könnte das Fundament des größten gemeinsamen Wirtschaftsraums der Welt schwer beschädigen“, resümiert Aart de Geus, Vorstandschef der Bertelsmann-Stiftung.

Der No-Deal ist abgewendet

Zwar ist mit der Einigung in letzter Minute ein weiterer langer Rosenkrieg vermieden. Dennoch drohen nun außer Grenzkontrollen auch weitere Hindernisse. Banken können ihre Dienste nicht mehr im jeweils anderen Raum ungehindert anbieten, Fluglinien könnten Landerechte verlieren. Und auch die Fischereiquoten sind nicht für alle Zeiten festgeschrieben – die nächsten Konflikte scheinen programmiert.

Die meisten Beobachter sagen, dass Boris Johnson aber keine Alternative blieb. Und einige Experten hatten schon in den letzten Verhandlungstagen den richtigen Riecher. „Die Märkte sagen: Es gibt viel Säbelrasseln in den Verhandlungen – aber letztlich müssen gerade die Briten einlenken“, zeigt sich Philipp Spormann schon vor dem Deal zuversichtlich. Der Aktienstratege im Fondsmanagement der Deka kennt die Lage in vielen Unternehmen, die vom Brexit betroffen sind; aber er weiß auch um die Befindlichkeiten auf der psychologischen Verhandlungsebene. „Boris Johnson hat sein Mandat von einer sehr konservativen Klientel – und muss denen gefallen.“ Darum musste er sich bis zuletzt als harter Verhandler zeigen.

Der Kampf um den endgültigen Brexit kann sich auch im Depot mancher Anleger bemerkbar machen: Die Folgen der Trennung könnte etwa für eine vorübergehende Verunsicherung an den Finanzmärkten sorgen. Das bedeutet: Aktienkurse von stark im zwischenstaatlichen Handel tätigen Firmen leiden, das Britische Pfund verliert an Wert und die „sicheren Häfen“ Gold und Staatsanleihen profitieren.

Dagegen steht die grundsätzliche Stärke vieler europäischer Unternehmen in aller Welt – und auch ein Aufholpotenzial der hiesigen Märkte, etwa im Vergleich zu den USA. Fonds wie der Deka-EuropaSelect oder der Deka-UnternehmerStrategie Europa setzen gezielt auf diese Vorteile des alten Kontinents

Drei Knoten gab es in der Schlussphase der Verhandlungen noch zu durchschlagen, so Marina Lütje, Volkswirtin im Makro-Research der Deka.

Erstens ein geregelter Zugang für EU-Fischer zu britischen Gewässern. Das ist für alle europäischen Staaten wirtschaftlich eigentlich von geringer Bedeutung, für ehemalige Seemächte und Nachbarn in der Nordsee wie Frankreich, Großbritannien, die Niederlande oder Dänemark aber hochemotional. Die EU-Fischer dürfen nun über einen Zeitraum von fünfeinhalb Jahren schrittweise weniger fangen. Der Wert der Fangmenge wird um rund ein Viertel gekürzt. Allerdings hatte das UK zunächst 80 Prozent gefordert.

Zweitens geht es um das sogenannte Level Playing Field: Die EU will den Briten nur dann zollfreien Zugang zum Binnenmarkt gewähren, wenn diese gleiche Umwelt-, Sozial- und Beihilfestandards einhalten. Das sichern die Briten nun für den Status Quo zu. Jetzt verpflichten sich beide Seiten zudem auf gemeinsame Prinzipien beim Subventionieren. EU-Firmen, die sich dabei durch die Briten benachteiligt sehen, können zudem im UK klagen. Und wenn sich London nicht an die gemeinsamen Regeln hält, kann die EU Strafzölle verhängen. Drittens hat die EU ein überstaatliches Schlichtungsinstrument verlangt. Die Briten wollten aber keine höhere Instanz als die eigenen Gerichte anerkennen. In diesem Punkt hat sich Johnson durchgesetzt – allerdings eben mit dem Zugeständnis des Klagerechtes für die EU-Firmen.

Lebensader EU-Zugang

Waren aus der EU wollten die Briten ohnehin schon einmal einseitig viel länger als bis zum 31. Dezember ungehindert in das Königreich lassen. Denn ohne möglichst freien Austausch mit der EU ist die Insel ökonomisch fast verloren. 43 Prozent des gesamten britischen Exports fließen in die EU; in die andere Richtung sind es nur 10 Prozent.

In komplexen Industrien wie Chemie, Autobranche oder Maschinenbau gehen Vorprodukte zudem meist mehrmals hin und her vom Kontinent auf die Insel und umgekehrt – bevor danach das Endprodukt „made in Britain“ wieder in den EU-Raum verkauft werden soll. Wären Zölle in Kraft getreten, dann hätte „das die Wettbewerbsfähigkeit deutlich gemindert“, sagt etwa Mike Hawes, Chef des britischen Automobilverbands. Um mehr als ein Drittel ist der Output der Branche 2020 ohnehin bereits eingebrochen.

Die Firmen haben vorgesorgt

Der Aktienwert der Konzerne ist allerdings nicht annähernd so stark betroffen. Britische, ausländische und multinationale Konzerne wie Jaguar Land Rover, Bayer oder EasyJet haben bereits Lieferketten oder gleich ganze Produktionen in die EU verlagert. Auch die Finanzdienstleister, die bei den gegenwärtigen Verhandlungen erst einmal außen vor geblieben sind, haben massiv Geschäft aus der Londoner City nach Frankfurt, Dublin oder Paris abgezogen. Gibt es auch hier mittelfristig nur erschwerte Dienstleistungen über die Grenzen hinweg, könnten zumindest Geldhäuser aus den Vereinigten Staaten oder Japan ihre Firmensitze auf den Kontinent verlagern. Dahin, wo die meisten Kunden sind.

Der Anleger kann gelassen bleiben

Die Deka-Volkswirte haben die Einigung in letzter Minute immer für wahrscheinlicher gehalten als den No-Deal. Zudem haben sie stets betont: Wer langfristig breit gestreut Vermögen bilde, der könne ohnehin gelassen bleiben. Und Aktienstratege Spormann sagt, dass Corona oder die Konflikte zwischen China und den USA weit bedeutender seien für die Kursentwicklungen. Der Brexit dagegen sei im Wesentlichen an den Börsen verdaut.

Zudem „geht es bei der Aktienauswahl in einer globalisierten Welt ohnehin immer weniger um Länder selbst, sondern eher um Themen“, so der Deka-Experte. Nur wer bei Megatrends der Zukunft wie Nachhaltigkeit oder Digitalisierung vorne sei, der bleibe attraktiv für die Anleger – ganz gleich, ob er seine Geschäfte nun aus Paris, Peking oder Portsmouth lenkt.

 

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Quelle. Fondsmagazin.de